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  • Regula Burkhardt-Lehmann

«Es braucht eine grosse Liebe zum Essen»

Ihre Torten sind Unikate: Handgefertigte Kunstwerke aus Zucker, Biskuit, Buttercreme und Schokolade. Drei Zuckerbäckerinnen über Kreativität, Perfektion und Trends, die nicht immer nach ihrem Geschmack sind.

Es ist kurz vor Feierabend, als sich im «Loft Five» in der Zürcher Europaallee drei Tortenbäckerinnen einfinden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dançoise Köchler, die umtriebige Amerikanerin, steckt voller Unternehmergeist und Konzeptideen. Wencke Schmid, die Künstlerin, bringt 17 Jahre Erfahrung in der Herstellung bunter Gebäcke mit. Für Heidi Rieger, die quirlige Kanadierin, sind Perfektion und Exaktheit das A und O des Torten- dekorierens. Eins aber haben sie alle gemeinsam: die Liebe zur Süssigkeit.

Eure mitgebrachten Torten sind sehr unterschiedlich. Was macht denn eine gute Torte aus?

Köchler: Dafür gibt es keine festen Vorgaben, denn das ist für jede Künstlerin anders. Für mich muss eine Torte in erster Linie einen kreativen Aspekt haben.

Rieger: Ich persönlich achte auf Sauberkeit und Perfektion. Ausserdem muss das Sujet originell sein. Der Geschmack der Torte ist mir ebenfalls sehr wichtig. Allerdings ist dieser Faktor so sub- jektiv, dass man kaum darüber diskutieren kann.

Schmid: Gerade weil der Geschmack subjektiv ist, kann man diesbezüglich auf den Kunden persönlich eingehen. Immer wieder höre ich meine Kunden sagen: «Wow, die Torte sieht schön aus, und sie schmeckt sogar fein.»

Weshalb sollte das eine das andere ausschliessen?

Schmid: Weil die Torte früher das Stiefkind der Konditoren war: Sie mochten das Tortenmachen nicht wirklich, und das schmeckte man. Dies hat sich in den vergangenen Jahren geändert; Torten sind ein grosser Trend geworden. Ich finde, eine gute Torte muss sowohl gut schmecken als auch gut aussehen.

Köchler: Als Amerikanerin bevorzuge ich Torten, die weniger Creme enthalten als die klassischen europäischen Torten. Das ist eine Frage der Kultur. Punkto Kreativität gibt es für mich aber keine Richtlinien.

Skizziert ihr die Torte, bevor ihr euch an die Arbeit macht? Schmid: Ich mache höchstens eine grobe Skizze und arbeite eher wie eine Bildhauerin. Am Anfang weiss ich nie genau, wie das Resultat aussehen wird. Es gibt durchaus Situationen, in denen man eine Dekoration schlicht über den Haufen werfen und nochmals von vorn beginnen muss – das gehört leider auch dazu.

Köchler: Ich skizziere nur grosse Torten, gebe die Zeichnung aber niemals an die Kunden raus, damit ich kreativ arbeiten kann und mich dadurch nicht einschränke.

Für eine dekorierte Torte benötigt ihrm itunter über zehn Stunden, verteilt auf drei Tage. Warum dauert das so lang? Rieger: Es gibt viele Wartezeiten. Ich überziehe die Torte beispielsweise immer mit Ganache, damit die Unterlage für den Rollfondant hart genug ist. Das bedeutet jedoch, dass ich Zeit zum Trocknen brauche. Auch die Planung kann langwierig sein, weil ich mich nie mit der erstbesten Idee zufrieden gebe.

Gehört es auch zu zu eurer Arbeit,Zuckermasse herzustellen und zu färben?

Köchler: Nein, diesen Aufwand würden meine Kundinnen und Kunden nicht bezahlen. Ich investiere die Zeit lieber ins Design.

Rieger: Das sehe ich auch so. Ich habe einmal Zuckermasse selber angerührt, das Resultat war aber schlecht. Die Qualität von Fertigprodukten hingegen ist perfekt, deshalb lohnt sich das Selbermachen nicht.

Schmid: Ich färbe die Produkte aus Überzeugung selber, auch das Marzipan. Als ich vor 17 Jahren anfing, gab es schlicht keine vorgefärbten Produkte zu kaufen. Lediglich schwarz färbe ich mittlerweile nicht mehr, da man dazu unendlich viel Farbstoff braucht.

Köchler: Es gibt aber nicht nur Massa Ticino oder Marzipan, sondern auch andere Produkte, zum Beispiel Modellierschokolade. Die schmeckt gut, ist einfach zu formen und trocknet schnell. Zudem sind Modelliermassen in unterschiedlichen Qualitäten erhältlich – es gibt zahlreiche Möglichkeiten.

Habt ihr denn den Anspruch, dass die Tortendeko essbar ist? Rieger: Überhaupt nicht. Ich sehe die Figur nicht als essbaren Teil, sondern als Erinnerungsstück, das man behält. Es ist nicht meine Absicht, dass jemand den Kopf einer Figur abbeisst, denn der besteht aus purem Zucker. Klar, Kinder können nicht widerstehen, aber Erwachsene tun so etwas eher nicht.

Schmid: Ich habe schon erlebt, dass Kunden eine grosse nackte Frau aus Marzipan mit dem Messer fein säuberlich aufteilten.

Köchler: Das wäre mir egal. Wenn die Kunden meine Figuren essen wollen, dürfen sie das gern tun. Ich finde, eine Torte ist zum Geniessen da, und wenn jemand die Torte besser geniessen kann, wenn er noch ein Stück von der Figur mitisst, dann soll er das doch machen.

Folgt ihr Trends wie etwa Naked Cakes, also Torten ohne Überzug? Schmid: Ich erhielt einmal eine Bestellung für einen Naked Cake, aber ich musste mich überwinden, ihn zu machen. Für mich sah das Resultat zuerst aus wie eine schlecht eingestrichene Torte. Nachdem ich sie dann aber raffiniert dekoriert hatte, war ich doch noch zufrieden.

Köchler: Ich bin auch kein Fan von Naked Cakes. Ich finde sie erstens nicht schön, und zweitens werden sie schnell trocken, weil die Buttercreme als Hülle fehlt. Ich habe sie auch schon selber gemacht, aber ungern. Ich bin überzeugt, dass dieser Trend bereits wieder vorbei ist.

Rieger: Das glaube ich auch. Drip Cakes (Anm. d. Redaktion: Torten mit einem Überzug in Tropfen- form) und Crystal Cakes (Torten, in die eine Art Kristallhöhle eingearbeitet ist) sind hingegen immer noch populär. Der erste Crystal Cake, der bekannt wurde, sah tatsächlich schön aus. Alle weiteren in dieser Art kamen aber nicht mehr an das Original heran. Diese Trends sind manchmal unberechenbar, und der Grund, weshalb ein Stil zu einem Trend erhoben wird, ist nicht immer ersichtlich.

Welche Eigenschaften braucht eine gute Tortenbäckerin?

Schmid: Es braucht eine grosse Liebe zum Essen. Eine Zuckerbäckerin, die Süsses nicht mag, ist mir suspekt.

Rieger: Schon, aber viele Leute meinen, die Liebe zum Backen reiche aus, um erfolgreich zu sein. Damit hat dieses Geschäft aber nichts zu tun, denn es ist harte Arbeit. Die Tage sind lang, oft arbeitet man bis spätabends. Bäckerinnen, die schnell mit sich zufrieden sind, riskieren, dass die Qualität nicht stimmt. Selbstkritik ist in diesem Job sehr wichtig.

Köchler: Aber letztlich ist es auch ein Geschäft, da kann man sich nicht stundenlang mit Details befassen. Ich versuche immer, eine Torte einen Tag im Voraus fertigzustellen, damit ich am nächsten Tag einen Schritt zurückgehen, die Torte nochmals in Ruhe betrachten und wenn nötig überarbeiten kann, bevor ich sie ausliefere.

Schmid: Ich finde, dass man sich nicht zu schnell zufriedengeben darf. Aber man soll es auch nicht übertreiben. Irgendwann muss man abschliessen können und sich sagen: So, wie sie ist, ist die Torte gut. Schliesslich ist sie zum Essen da.

Erschienen in: Saisonküche

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